Das Moormann-Wendland-Memorandum für eine neu aufgestellte Energiewende
ZEIT-Artikel „Stoppt den Atomausstieg!“ (PDF)
Im September und Oktober 2020 sind wir für den Erhalt und den Weiterbetrieb unserer CO₂-freien Kernkraftwerke auf die Straße gegangen. Fotos, Berichterstattung und Infos hier.
Die Fridays for Future-Bewegung beschwört das Szenario jeden Tag: Deutschland verfehlt seine Klimaziele und steigt viel zu langsam aus der fossilen Energiewirtschaft aus. „Das hat vor allem mit dem verfrühten Atomausstieg zu tun“, sagen die Wissenschaftler Dr. Rainer Moormann und Dr. Anna Veronika Wendland. Sie brechen damit ein Tabu der deutschen Klimadiskussion, die sich seit Jahren um eine simple Tatsache herumdrückt: Kernenergie ist ein hochwirksames Instrument gegen klimaschädliche Emissionen in der Energiewirtschaft. Aus diesem Grunde sollte der Atomausstieg zurückgestellt werden, fordern Moormann und Wendland in einem wissenschaftlichen Memorandum, das hier erstmals veröffentlicht wird.
Dr. Rainer Moormann und Dr. Anna Veronika Wendland erläutern ihre Positionen im Video-Interview mit Simeon Preuß.
Moormann und Wendland kommen von völlig entgegengesetzten Positionen der Energiediskussion. Sie haben sich trotz vieler Kontroversen zusammengefunden, um dieses Memorandum zu schreiben, weil sie dies für das Gebot der Stunde halten. Der physikalische Chemiker Rainer Moormann arbeitete fast vier Jahrzehnte am Kernforschungszentrum Jülich und machte sich einen Namen als Kritiker der Atomindustrie. Die Historikerin Anna Veronika Wendland arbeitet an einem Marburger Forschungsinstitut zur vergleichenden Geschichte und Gegenwart der Reaktorsicherheit und forscht häufig in Kernkraftwerken. Das hat sie über die Jahre von einer Atomgegnerin zur Kernenergie-Befürworterin gemacht. Beide fanden nach langen Streitgesprächen zusammen, weil sie angesichts des Klimanotstandes radikale Schritte für dringend notwendig hielten. Auch unkonventionelle Schritte.
Eine Lösung für den Klimanotstand
Und unkonventionell ist Moormanns und Wendlands Vorschlag. Er bricht mit dem deutschen Atomausstiegs-Konsens und den üblichen Energiewende-Argumenten. Politische Konsense seien keine heiligen Kühe, meinen sie – unter neuen Rahmenbedingungen müsse man sie immer wieder neu in Frage stellen. „Immer mehr Erneuerbare nützen nichts, wenn es keine ausgereiften Speichermöglichkeiten für Grünstrom gibt“, sagt Anna Veronika Wendland. „Kernergie sollte daher in der Übergangszeit statt Kohle und Gas für die Absicherung der Erneuerbaren eingesetzt werden. Follow the science! heißt es doch immer auf den Klimaschutz-Demos. Dann müssen die Deutschen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass die Wissenschaft im Weltklimarat IPCC der Kernenergie eine bedeutende Rolle bei der Verlangsamung der Erderwärmung zuspricht.“
Angesichts des Klimanotstandes und der aktuell zu langsam voranschreitenden Energiewende schlagen die beiden Wissenschaftler vor, die noch am Netz befindlichen sechs deutschen Kernkraftwerke, die GER6, weiterlaufen zu lassen. Rainer Moormann: „Stattdessen sollten im selben Umfang besonders klimaschädliche Braunkohle-Kapazitäten rasch stillgelegt werden. Das würde die deutschen CO2-Gesamtemissionen um ca. 10 % senken. Erdgas als Backup für Erneuerbare, wie es die Bundesregierung plant, ist keine Alternative, denn es ist wegen seiner Methan-Emissionen genauso klimaschädlich wie die Kohleverbrennung.“ Falls bis 2030 die erforderlichen wesentlichen Fortschritte auf dem Weg zu Großspeichern für ein weitgehend auf Erneuerbaren Energien basierendes System nicht zu beobachten seien, müsste zwangsläufig über einen Neubau von Kernkraftwerken – zusätzlich zum Erneuerbaren-Ausbau – nachgedacht werden.
Das Memorandum
Das Moormann-Wendland-Memorandum kannst du hier in voller Länge lesen:
Warum wir die deutschen Kernkraftwerke jetzt noch brauchen
Vorschlag für eine neu aufgestellte Energiewende unter den Bedingungen des Klimanotstandes (PDF), zweite Fassung vom 4. Januar 2021
Eine Zusammenfassung ist als Gastbeitrag der Autoren in der Wochenzeitung DIE ZEIT erschienen:
„Stoppt den Atomausstieg!“ (PDF)
Nach Veröffentlichung des Memorandums am 14. Juli 2020 erschienen einige kritische Beiträge. Die Autoren setzen sich damit in dieser Stellungnahme auseinander.
04.01.2021